Kundenerlebnis-Matrix größer spannen. Digital-First-Marketing weiter denken.

Kundenerlebnis-Matrix größer spannen. Digital-First-Marketing weiter denken.

Chatbot, KI, Programmatic Advertising, Realtime Bidding, Marketing Automation – in der Reihe moderner Marketingtrends erscheinen Printanzeigen, Megalogs oder das Dialogmailing wie Fremdkörper: alt, überholt, nicht mehr wichtig. Selbst in Fachmedien ist nur noch wenig über die Klassiker des Marketings zu lesen. Marketer befassen sich lieber mit Content-Marketing und E-Mail-Marketing. Chatbots gelten mittlerweile als unverzichtbar auf Webseiten im E-Commerce. Doch wie genau bildet die digitale Wertschöpfungskette die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden ab? Kann der Robot das persönliche Zwiegespräch von Kunde und Kundenberater ersetzen? Wer hat schon Lust, mit einem Avatar zu reden. Anrufe bei Mobilfunkanbietern geben ein gutes Beispiel wieder und wehe, man spricht die eins oder das Ja und Nein nicht deutlich aus, wird man kurzerhand aus der Leitung katapultiert. Ein Case, der in den Usability-Check gehört.

Digital First ist die DNA des modernen Marketings, aber auch die des Kunden?

Die Kommunikation verlagert sich in Kanäle. Briefkästen bleiben weitgehend von Direkt-Mailings verschont. Die softwarebasierte Methode des Programmatic Adverstising, Onlinewerbung automatisiert zu buchen, auszuspielen und zu verbessern, schätzen Marketer als einen wichtigen Mehrwert. Effizienz bei Kosten und Conversions inbegriffen. Doch, das zeigen Studien, ist die Wahrnehmungs- und Aufnahmebereitschaft ausgespielter Onlinewerbung auch abhängig von den situativen Stimmungen der Nutzer. Werbung zum falschen Zeitpunkt und bei schlechter Stimmungslage ausgespielt, wirkt verläuft im Sand. Empfänger auf Digitalität zu verdonnern, kann nach hinten losgehen. Beispiel Aldi. Die Abkehr von der Printwerbung und Zuwendung zur digitalen Werbung, führte zu Umsatzeinbrüchen. Mehrwert Print – Leser der gedruckten Apothekenumschau wissen gemäß einer Metaanalyse „mehr über Gesundheitsthemen und bringen 18 Euro mehr Geld in die Kassen der Apotheken.“

Kunden nutzen digitale Medien, aber fühlen analog.

In einer pluralistischen Gesellschaft stellt ein Entweder-Oder immer ein Problem dar. Das betrifft auch die Ansprache von Werbekunden. Wenn schon Multi-Channel, dann gehört der Briefkasten oder das Postfach dazu. Ich erinnere mich noch an die glorreiche Ära des Dialogmarketings, als Mailings von Konzernmarken nicht premium genug sein konnten, die Deutsche Post herausragende Kampagnen bei einem Top-Event auszeichnete und einzigartige Kataloge der Reisebranche die Goldene Windrose, den Oscar der Branche, erhielten. Damalige Print-Kampagnen erzielten ähnlich überdurchschnittliche Responses und Conversions wie digitale Kampagnen. Verglichen mit Online allerdings zu astronomischen Kosten. Hier ist Online deutlich im Vorsprung.

Nach wie vor – Print kann unter die Haut gehen.

Dank der modernen Softwaretools können wir heute Werbewirkung sehr genau messen, Daten generieren und Kunden auf der Customer Journey bis an und in seine Privatsphäre begleiten. Wer positive Nutzerlebnisse für das emotionale Wesen „Kunde“ schaffen will, sollte die haptische Erlebniselemente nicht ausklammern. Ein hochwertiges Mailing eine ebenso, vielleicht sogar bessere, nachhaltige Werbe- und Markenwirkung erzielen wie eine multimediale Kampagne. Kurzer Gedankenschlenker: Die erste Auflage von Karl Lagerfelds Buch „The Little Black Jacket“, ein Meisterwerk und Markenerlebnisbuch, war bald vergriffen. Auch, weil es in der Gestaltung, Veredelung, als Druckprodukt und in der Präsentation von außergewöhnlicher Qualität war. Und ein einzigartiges Erlebnis. Marken gehören in die Hände, ins Berührbare und Sensorische des Konsumenten. So wie Aldis Printformat oder die Zeitung zum Morgenkaffee. Das Atmosphärische und Charismatische einer Marke kann im digitalen Kanal verebben, wenn das Engagement-Angebot an den Empfänger zu kurz gerät, zum falschen Zeitpunkt ausgespielt wird oder genau in diesem Moment an seinem Interesse vorbeigeht.

Nutzer haben ein Verlangen nach sensorischen Codes.

Sensorische Codes, die über haptische Medien transportiert werden, hinterlassen beim Empfänger einen bleibenden Markeneindruck. Weder das eine noch das andere Format kann in seiner Ausschließlichkeit genügen. Die crossmediale Kommunikation nutzt die Potenziale der Kanäle, über die der direkte Kontakt zum Empfänger möglich ist. Der Kontakt-Gap wird geschlossen. Wo der Empfänger sich aus der virtuellen Welt in die reale zurückzieht, sollte die Marke – in konsequenter Fortsetzung der Customer Journey und der Markenerlebniskette – ihm überall dort eine Kontaktmöglichkeit anbieten, wo sie sich begegnen können: am P.O.S., am Zeitschriftenstand, an Kontaktpunkten, im Restaurant, im Laden um die Ecke, in Printformaten.

Sich in die Erlebnisökonomie des Kunden hineindenken.

Um diese Möglichkeiten effizient zu bespielen, muss man etwas über die Verhaltens- und Erlebnisökonomie der Kunden wissen. Die Analyse, Evaluierung und Definition der Kundenerlebniskette sollte deutlich weitergehen, als sie im allgemeinen im Kontext der Customer Experience beschrieben wird. Kundenerlebnisse spielen sich auch weit außerhalb des digitalen Raumes ab. Eine 360-Grad-Strategie legt den Strukturplan fest, der für die Erfassung der gesamten Kundenerlebnismatrix nötig ist, denkt über Kanäle hinaus in die Er-Lebenswirklichkeit des Kunden hinein. Wer sich nach der Formel verhält, Online schlägt Offline und Digital First, folgt zwar dem Prinzip der digitalen Transformation. Er kappt aber die Erlebnis- und Datenabwurfs-Areale, in denen sich Kunden auch bewegen – im Alltagsleben. Hier kommen Informationen auf vielfältige Weise und ungefiltert zur Sprache. Es steht in Frage, ob Selfies und Posts den Charme des Ungeschminkten und Spontanen transportieren.

Digitale Kundenidentitäten sagen einiges über Kunden aus, aber nicht alles.

Halten wir fest: Digitales Wissen ist partielles Wissen. Da können Predictive Analytics phantasieren, wie sie wollen, es bleibt das Moment des Unausgesprochenen und Unbekannten. Chatbots haben noch etwas Unausgereiftes und den Charme eines Polizeiverhörs. Können diese wirklich ein freundliches Gespräch zwischen authentischen Vertretern der Spezies Mensch ersetzen? Die wieder aufblühende Bedeutung von Print, des Haptischen, transportiert auch so etwas wie Sehnsucht nach Berührung und Berührt-werden. Mit allen Sinnen. Das ist und bleibt die Herausforderung an Marken: Unter die Haut zu gehen – On- und Offline.

 

Titelbild: Jonas Lee by unsplash

 

Quellen:
Analyse bestätigt Werbewirkung von Print, w&v 1.4.2019
https://www.wuv.de/marketing/analyse_bestaetigt_werbewirkung_von_print

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